News  |  18.04.2019

Verfolgung politischer Zwecke ist nicht gemeinnützig

Gemeinnützig ist im deutschen Steuerrecht die Verfolgung der in § 52 der deutschen
Abgabenordnung dezidiert genannten Zwecke. Hierzu gehört lt BFH nicht die Verfolgung politischer
Zwecke, weshalb dem Verein attac in Deutschland der Entzug der Gemeinnützigkeit droht.

Der BFH hob in der Revision des Verfahrens der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation attac das zuvor durch die Vorinstanz Finanzgericht Hessen (FG) ergangene Urteil auf. Dabei stand im Wesentlichen die Frage zur Diskussion, ob die nach deutscher Abgabenordnung genannte steuerbegünstigte Förderung der Volksbildung und des demokratischen Staatswesens eine Betätigung in beliebigen Politikbereichen zur Durchsetzung eigener politischer Vorstellungen inkludiere.

Lt veröffentlichter Entscheidung des FG setzt die Satzung des streitgegenständlichen Vereins die Vereinszwecke im Wesentlichen wie folgt fest: „[…] die Förderung von Bildung, Wissenschaft und Forschung, die Förderung des Schutzes der Umwelt und des Gemeinwesens, der Demokratie und der Solidarität unter besonderer Berücksichtigung der ökonomischen und gesellschaftlichen Auswirkungen der Globalisierung.“ Tätigkeiten wie Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen, Publikationen, Bildungsarbeit, Aufbau eines Informationsnetzes, Seminare, etc sind in dem Statut festgehalten.

Nach Auffassung der Vorinstanz ist für die Förderung der Volksbildung und der demokratischen Grundprinzipien das Aufgreifen von tagespolitischen Themen oft nicht vermeidbar. Das von attac betriebene Einstehen bspw für Steuergerechtigkeit und weltweit gleiche Vermögensverteilung ist für eine objektive Meinungsbildung notwendig und eignet sich darüber hinaus zur Förderung des Gemeinwesens. Konkrete steuerpolitische Forderungen des Vereins (wie bspw die „Austrocknung von Steueroasen“) dienen nach Ansicht des FG – infolge eines entlasteten Staatshaushaltes – der Allgemeinheit. Der Verein habe daher keine politischen Tätigkeiten als Selbstzweck verfolgt und durch eine Vielzahl von begleitenden, statutarisch festgehaltenen Maßnahmen (Aktionen, Seminare, Vorträge, Streitgespräche) unmittelbar an einem vielfältigen Informations- und Bildungsangebot gearbeitet.

Der BFH stellt in seinem Urteil jedoch nunmehr fest, dass das FG die Begriffe Volksbildung und demokratisches Staatswesen zu weit gefasst hat. Streitgegenständlichem Verein gehe es vorrangig um die Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung zur Durchsetzung der eigenen Auffassung, nicht aber um die Vermittlung von Kenntnissen oder Fähigkeiten. Damit fehle nach Ansicht des BFH der erforderliche „Volksbildungscharakter“. Das „rein“ politische Agieren als alleiniger oder überwiegender Zweck einer Körperschaft führt lt BFH aber nicht zur Erlangung der Gemeinnützigkeit. Die vom Verein betriebene Einflussnahme auf die politische Willensbildung fällt lt BFH weiters unter die per Gesetz von der Gemeinnützigkeit ausgeschlossene Verfolgung „Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art“ und schließt somit die Förderung eines demokratischen Staatswesens aus. Der BFH verweist den Fall letztlich zur weiteren Sachverhaltsklärung an die Vorinstanz zurück und weist insbesondere auf die Überprüfung der Selbstdarstellung des Vereins (Homepage, veröffentlichte Pressemitteilungen) hin.

In der gegenständlichen Entscheidung stellt der BFH jedoch auch klar, dass die Einflussnahme von Körperschaften auf politische Entscheidungen gemeinnützigkeitskonform ist, sofern sie der Förderung der lt deutscher Abgabenordnung begünstigten Zwecke dient. Körperschaften können sich zur Förderung ihrer begünstigten Zwecke also in gewisser Weise politisch betätigen, um zB zur Förderung des Umweltschutzes Einfluss auf die politische Willensbildung zu nehmen. Das politische Agieren muss aber der Vermittlung der satzungsmäßigen Ziele dienen und darf keinen eigenständigen Zweck – wie im Falle des Vereins attac – darstellen.

Österreichische Verwaltungspraxis

Nach Auffassung der österreichischen Finanzverwaltung können gem Vereinsrichtlinien folgende mit einer politischen Tätigkeit bzw. mit Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit im weiteren Sinn verbundene Tätigkeiten gemeinützig sein:

  • Die Förderung des demokratischen Staatswesens durch staatsbürgerliche Bildung, wobei nicht nur bestimmte Einzelinteressen politischer Art verfolgt werden dürfen. (Rz 43)
  • Die Tätigkeit von Bürgerinitiativen, wobei die jeweiligen Bestrebungen selbstlos und nicht im Grunde aus eigenwirtschaftliche Interessen der Mitglieder verfolgt werden dürfen. Eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung ist dabei zulässig, nicht aber eine parteipolitische Betätigung. (Rz 42)
  • Friedensbewegungen sind gemeinnützig, sofern nicht in erster Linie politische Zwecke verfolgt werden bzw politische Vereine vorliegen. Die Gemeinnützigkeit der Zweckverfolgung ist auch dann anzunehmen, wenn die Meinungen darüber auseinander gehen, wie die Ziele (Förderung der Erhaltung des Weltfriedens, Völkerverständigung usw) am besten verwirklicht werden können. (Rz 52 und 78)
  • Die Förderung des Umweltschutzes ist gemeinnützig, es sei denn, es wird im Grunde eine politische Tätigkeit ausgeübt. (Rz 77)

Im Gegensatz dazu wird die Verfolgung parteipolitischer Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, Förderung politischer Parteien usw) nicht als gemeinnützig angesehen (Rz 22 und 65 mVa den Verwaltungsgerichtshof).

Sehr gerne stehen wir Ihnen für Gemeinnützigkeitsthemen zur Verfügung, insbesondere auch für Statutenüberprüfungen!

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