News  |  06.04.2020

„Virtuelle“ Mitgliederversammlung eines Vereins

Die Abhaltung einer Mitgliederversammlung eines Vereins ohne physische Anwesenheit der Mitglieder
ist grundsätzlich möglich – aber nur bei Verankerung in den Statuten und sorgfältiger Abwicklung.

Das Vereinsgesetz sieht die Mitgliederversammlung als Organ zur gemeinsamen Willensbildung der Vereinsmitglieder vor. Abgeleitet aus europäischen Bestimmungen für Aktionärsversammlungen und mangels konkreter nationaler Bestimmungen können lt Meinung einzelner Juristen auch „gänzlich virtuelle“ Mitgliederversammlungen abgehalten werden. Diese Vorgehensweise sollte aber in der Vereinssatzung verankert oder zumindest mit allen stimmberechtigten Mitglieder abgestimmt sein.

Die Mitgliederversammlung ist ein wesentliches Vereinsorgan, dem beispielsweise folgende vereinsgesetzliche Aufgaben zukommen:
– Gemeinsame Willensbildung der Vereinsmitglieder;
– Bestellung des Aufsichtsorgans sowie
– der Rechnungsprüfer bzw Abschlussprüfer;
– Entgegennahme von Information des Leitungsorgans über Tätigkeit und Vereinsgebarung;
– Entgegenahme des Berichts des Leitungsorgans über die geprüfte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung.

In den Gesetzesstellen wird die Art und Weise, wie die Mitgliederversammlung diese definierten Aufgaben zu erfüllen hat, nicht explizit vorgegeben. Gem EU-Richtlinie über die Ausübung der Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften (RL 2007/36/EG des europäischen Parlaments vom 11.7.2017) sollten alle Aktionäre in der Lage sein, unabhängig vom Ort ihres Wohnsitzes ihr Stimmrecht in der Hauptversammlung abzugeben. Die Teilnahme an der Hauptversammlung auf elektronischem bzw telefonischem Wege ist den Aktionären durch die Gesellschaft zu ermöglichen.

In Ermangelung nationaler Bestimmungen wird daraus abgeleitet, dass auch für Vereine Mitgliederversammlungen gänzlich ohne die physische Anwesenheit der Mitglieder grundsätzlich möglich sein sollten. Rechtlich abgesichert ist dieses Vorgehen aber nur dann, wenn diese Möglichkeit auch in der Vereinssatzung vorgesehen wird. Nur dadurch kann die Anfechtung und – im worst-case – Nichtigkeit von virtuell gefassten Beschlüsse vermieden werden.

Erhöhte Vorsicht ist zudem geboten, da zum einen der für die „demokratischen Vereinsabläufe“ wichtige Diskussionsprozess zwischen den Anwesenden damit zwangsläufig nicht geboten ist. Zum anderen sind die Inhalte auch einer virtuellen Mitgliederversammlung zu dokumentieren; für Tonaufnahmen oder dergleichen sollte wiederum aus „persönlichkeitsrechtlichen Gründen“ die Zustimmung der teilnehmenden Mitglieder eingeholt werden. Wie auch bei einer „normalen“ Mitgliederversammlung ist außerdem auf die statutengemäße Einberufung der Generalversammlung zu achten (Einhaltung der Fristen für die Einladung; Spezifizierung der Tagesordnungspunkte etc.).

In Ermangelung besonders dringend zu beschließender Themen kann mit der nächsten „offiziellen“ Mitgliederversammlung gegebenenfalls auch zugewartet werden. Der zeitliche Mindeststandard zur Abhaltung einer Generalversammlung ist lt Vereinsgesetz mit „nur“ alle 4 Jahre recht weit gefasst.

Ein dringend zu beschließendes Thema ist allerdings die Abstimmung über die Verlängerung der Funktionsdauer des Vereinsvorstandes. Der Abschluss von Rechtsgeschäften durch einen nicht vertretungsbefugten Vorstand sollte nämlich jedenfalls vermieden werden. Sollte die Verlängerung der Funktionsdauer in den kommenden Wochen notwendig sein, könnte folgende, praxisnahe Möglichkeit zur Abstimmung via virtueller Mitgliederversammlung ohne statutarische Verankerung gewählt werden: Im Vorfeld sollte bei allen stimmberechtigten Mitgliedern die Einwilligung eingeholt werden, dass in der derzeitigen Situation eine Abstimmung per Telefon oder Email gewählt, dies ordnungsgemäß dokumentiert und nach Normalisierung der Situation eine Generalversammlung mit tatsächlicher Anwesenheit nachgeholt wird. Somit kann verhindert werden, dass der Beschluss durch ein „streitsüchtiges“ Mitglied im Nachhinein angefochten wird. Bei einhelligem „Ok“ zu dieser „Notlösung“ könnte eine Abstimmung ohne physische Anwesenheit der Mitglieder durchgeführt werden.

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