News  |  04.07.2019

Wieviel politische Betätigung ist für einen gemeinnützigen Verein erlaubt?

In unseren SteuerNews von Anfang April haben wir die aktuelle Sichtweise des deutschen Bundesfinanzhofes (BFH) zur Vereinbarkeit der politischen Betätigung eines Vereins mit seiner Gemeinnützigkeit anhand des jüngsten Urteils zur NGO attac dargestellt. Nachfolgend finden Sie ein paar weitere konkrete Abgrenzungsversuche für die Praxis.

  • In dem BFH-Urteil wird festgestellt, dass das rein politische Agieren als alleiniger oder überwiegender Zweck einer Körperschaft nicht zur Erlangung der Gemeinnützigkeit führt. Die Tätigkeit der Körperschaft dürfe weder unmittelbar noch allein auf das politische Geschehen und die staatliche Willensbildung gerichtet sein. Der BFH leitet dabei und in seinen zuvor bereits ergangenen Entscheidungen folgende „Kriterien“ für die Beurteilung, inwieweit politisches Agieren noch Teil einer gemeinnützigen Zweckverfolgung sein kann, ab: 
  • Es dürfen im Rahmen der Förderung der Volksbildung und des demokratischen Staatswesens nicht ausschließlich Weltanschauungen vertreten werden, die nur denjenigen der Körperschaft entsprechen. Dh eine geistige Offenheit muss bemerkbar sein.
  • Eine Körperschaft darf für ihre gemeinnützigen Zwecke auch „Stimmung machen“ – dies jedoch nur gelegentlich und in untergeordnetem Ausmaß, parteipolitisch neutral, objektiv und sachlich fundiert.
  • Jedenfalls gemeinnützigkeitsschädlich ist die politische Meinungsbildung mit gesetzeswidrigen Mitteln wie bspw Sachbeschädigung, aber auch gewaltloser Mittel wie Straßenblockaden, da dies – abgesehen davon, dass dies strafrechtliche Konsequenzen nach sich zieht – dem Prinzip der Förderung des Gemeinwohls widerspricht.

Die Ansicht des österreichischen BMF – wiedergegeben in den Vereinsrichtlinien – ist mit der des BFH vergleichbar, denn die Verfolgung parteipolitischer Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, Förderung politischer Parteien usw) oder von Einzelinteressen politischer Art ist nicht mit der abgabenrechtlichen Gemeinnützigkeit vereinbar.

Eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung ist aber zulässig. Das Ausmaß, inwieweit eine politische Einflussnahme noch mit der Gemeinnützigkeit kombiniert werden kann, ist in der Praxis – außer in Fällen, in denen dabei klar gegen das Prinzip der „Unmittelbarkeit“ gem § 40 Abs 1 BAO verstoßen wird – nicht immer klar quantifizierbar. Eher eindeutig sind vermutlich folgende praxisnahe Beispiele (vgl Renner, SWK 2019):

  • Der Zweck einer gemeinnützigen GmbH ist die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen am Arbeitsmarkt durch den Betrieb von Werkstätten. Ein Verantwortlicher der GmbH reagiert auf die Streichung von bisher für diese Werkstatt gewährte öffentliche Mittel mit kritischen Äußerungen im Rahmen von medienwirksamen Interviews. Der ureigene Zweck der Körperschaft, uz der Betrieb von Behindertenwerkstätten zur Arbeitsmarktintegration von beeinträchtigten Menschen ist gem § 34 BAO gemeinnützig. Die getätigten Äußerungen beziehen sich zwar auf die Tagespolitik, aber auf Themen, die die überwiegend verfolgten, gemeinnützigen Zwecke der GmbH betreffen und wurden (nur) im Einzelfall abgegeben. Aufgrund derartiger Äußerungen wird der GmbH der Status der Gemeinnützigkeit wohl nicht aberkannt werden.
  • Die Förderung des demokratischen Staatswesens ist vom Grundsatz her gemeinnützig. Verbreitet eine gemeinnützige Privatstiftung allerdings im Rahmen von Informationsveranstaltungen ausschließlich die eigene Auffassung, dass Österreich durch die EU-Mitgliedschaft in seiner Souveränität gefährdet sei, so wird nicht objektiv und neutral Bildung vermittelt. Die Privatstiftung verliert damit wohl ihre Gemeinnützigkeit, die geistige Offenheit ist von ihr nicht gewahrt.

Sehr gerne stehen wir Ihnen für Gemeinnützigkeitsthemen zur Verfügung, insbesondere für die steuerrechtliche Beurteilung des richtigen Ausmaßes des politischen Engagements Ihres gemeinnützigen Rechtsträgers!

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